Denn die Zeit verfliegt so schnell, dass ich gerade kaum
noch hinterher komme.
Bzw. kommt es mir so vor.
Denn nachdem ich vor ein paar Wochen das Gefühl hatte, als
würde mir wirklich alles zu viel werden, habe ich endlich genug Leidensdruck
empfunden, um mein Leben mit aller Kraft entschleunigen zu wollen.
Und so mache ich seit ein paar Wochen jeden Tag kleine
Schritte in Richtung „innere Ruhe“.
Das klingt leichter als es sich schreibt.
Aber das wissen viele von euch sicher mindestens genauso
gut.
Inzwischen befinden wir uns im Jahresrad in der Zeit, in der
das Licht nachlässt. Die Nächte werden länger, die Tage kürzer und kühler. Bei
uns Zuhause verweilen die Nebelschwaden am Morgen schon deutlich länger in den
Feldern und die Bäume tragen bereits ihr buntes Herbstkleid.
Ich weiß, ich habe ein zwei Jahreskreisfeste hier im Blog
ausgelassen.
Das hat mit dem turbulenten Alltag zu tun, der mich immer
wieder eingeholt hat.
Aber nun kommt eines der kraftvollsten Feste im Jahresrad
mit großen Schritten auf uns zu:
Samhain
Es ist das Schnitterfest. Das letzte der drei Erntefeste,
das Fest der Toten und das Hexenneujahrsfest.
Die Energie von Samhain ist so groß und so überwältigend,
dass wir hier in Deutschland sogar einen Feiertag haben, der dieser besonderen
Nacht folgt.
Allerheiligen
Auf diese Weise kann eigentlich jeder Samhain feiern und am
nächsten Tag ausschlafen.
Zumindest mehr oder weniger.
Samhain ist ein Mondfest.
Es liegt zwischen der Herbsttagundnachtgleiche und der
Wintersonnenwende.
Um das Pferd kurz von hinten aufzuzäumen:
Zur Wintersonnenwende, also der längsten Nacht im Jahr,
feiert man die Widergeburt des Lichts. Denn ab diesem Zeitpunkt kehrt das Licht
mit jedem Tag etwas mehr in die Welt zurück.
Da macht es Sinn, dass im vorangehenden Fest, also Samhain,
die Thematik dessen umschlossen wird, was vor der Widergeburt passieren muss.
Und das ist der Tod.
Er gehört zum ewigen Kreislauf des Lebens genauso wie die
Geburt.
Deshalb hat er auch sein eigenes Fest, mit all den Aspekten,
die dazu gehören.
Und was gehört alles dazu?
Wenn wir die Welt betrachten, wird uns wahrscheinlich gleich
ein Aspekt auffallen, der jeden Menschen immer wieder betrifft.
Einmal der Tod von Verwandten, Freunden (dazu zählen
übrigens aus meiner Sicht auch Tiere), Bekannten und ganz allgemein betrachtet,
von Lebewesen.
Aber was ist mit uns selbst?
Jeder hat schon die Erfahrung von Veränderung gemacht.
Eigenschaften, Ansichten, Weltbilder, der Freundeskreis,
Vorlieben, der Wohnort und so vieles mehr, kann sich ändern.
Was geschieht aber, wenn sich etwas ändert?
Etwas Neues entwickelt sich im Leben und etwas Altes
verschwindet dafür.
Es stirbt also.
Das wäre ein zweiter Aspekt von Samhain: Die Veränderungen
im eigenen Leben, die man betrauert, begrüßt oder vielleicht herbeiwünscht.
Man kann sich also fragen: Was möchte ich verabschieden, was
hinter mir lassen? Was oder wer gehört nicht mehr zu mir?
Und dann lässt man los. Gestützt durch symbolische
Handlungen oder einfach, indem man sich bewusst macht, was schon längst
gegangen ist oder gehen soll.
Was noch?
Das Licht befindet sich im Sterbeprozess. Es wird noch eine
Weile vergehen, bevor die längste Nacht, also die tiefste Dunkelheit erreicht
ist. Wir befinden uns noch immer auf dem Weg in die Dunkelheit.
Und die Dunkelheit wird schon seit langer Zeit als Symbol
für die inneren Welten verstanden. Um in sich hinein zu fühlen, schließen viele
Menschen ganz instinktiv die Augen. Sie blicken also in ihr Innerstes. Dort ist
es nicht unbedingt dunkel. Aber wir brauchen unsere Augen nicht, um dort sehen
zu können.
So erleichtert es die dunkle Jahreszeit ganz ungemein, einfacher
in sich selbst blicken zu können. Denn wenn das Licht stetig weniger wird,
bleibt zwangsläufig mehr Zeit übrig, in der man die Augen schließen und in sich
selbst blicken kann.
Zumindest war das früher so.
Heute spielt es nicht mehr so eine große Rolle, wie spät es
ist. Wenn man Licht braucht, drückt man einen Schalter, und schon ist es hell.
Aber die Energie der Erde ist eine andere. Für alle Pflanzen
und Tiere, die ohne Lichtschalter leben, verändern sich die Lebensbedingungen
deutlich.
Und sie speisen das Energiefeld der Erde genauso wie wir.
Deshalb können wir trotz unserer Dauerbeleuchtung deutlich spüren, dass sich
die Stimmung „draußen“ verändert.
Und je mehr man sich selbst darauf einlässt, desto leichter
wird es einem fallen, auch in sich selbst mehr Ruhe zu finden und Innenschau zu
betreiben.
Und wie passt Halloween dann in diese Zeit?
Nun ja, wir haben bereits festgestellt, dass die Nächte
immer länger, kühler und nebliger werden.
Kurz könnte man auch sagen: Sie werden gespenstisch.
Und da wären wir auch schon.
Wer möchte, kann einmal einen Selbstversuch unternehmen:
Fahr doch einmal in den nächsten Tagen um 20 Uhr (also
wirklich nicht mitten in der Nacht – eigentlich) mit dem Auto etwas in eine
Gegend, in der keine Straßenbeleuchtung und auch kein Haus in unmittelbarer
Nähe ist. Parke dein Auto an einer geeigneten Stelle, stell den Motor ab und
lass erst einmal alles für ein paar Minuten auf dich wirken.
Kein Radio, kein elektrisches Licht.
Willst du wirklich noch aussteigen und den nächsten Schritt
in diesem Experiment gehen?
Wenn ja, dann gehe ein Stück spazieren. Ohne Handy und
Taschenlampe. Wenn du möchtest, nimm eine Kerze oder eine Öllampe mit. Mehr
hatten man damals nämlich auch nicht, wenn überhaupt.
Das kann natürlich ein wunderschöner und meditativer Nachtspaziergang
werden.
Aber höchstwahrscheinlich wirst du ihn eher als beunruhigend
und gruselig empfinden. Spätestens wenn du das Glück hast, in einer richtig
schönen, dichten Nebelwand zu landen.
So ging es den Menschen früher auch. Da gab es auch kein
Handy, mit dem man hätte Hilfe rufen können, falls man stürzt oder falls man
sich verläuft.
Und so eine Nebelwand ist ein Schleier, der hinter sich
alles Mögliche verbergen könnte.
Vielleicht tut sie das ja auch.
Unsere ganze Wahrnehmung funktioniert in einem solchen
Umfeld völlig anders als bei Tageslicht. Unsere inneren Antennen verstärken
deshalb ihre Tätigkeit. Denn sie können jetzt „besser sehen“ als unsere Augen.
Und so verwundert es nicht, dass wir auch besser Ebenen wahrnehmen können, die
uns im Sommer viel schwerer zugänglich sind.
Deshalb blieb man damals im Haus, wenn es dunkel wurde. Man
zündete Kerzen in den Fenstern an. Zum einen um selbst Licht zu haben, aber
auch um dunkle Gestalten nicht ins Haus kommen zu lassen. Die Geister, die
draußen umherirren, sollten bitte draußen bleiben.
Man schnitzte nicht nur Kürbisse, sondern auch anderes
Gemüse, und stellte die geschnitzten Fratzen vor die Tür um böse Geister zu
vertreiben.
Manchmal stellte man auch Speisen oder Getränke vor die Tür
oder ins Fenster, um die Geister zu besänftigen.
All das spiegelt sich in Halloween wider.
Die Fratzen, das Verkleiden um andere zu erschrecken, die
Bitte um Süßigkeiten. Und das alles natürlich erst wenn es draußen dunkel wird.
Man stellte allerdings nicht nur Verpflegung und Kerzen
bereit, um böse Geister zu besänftigen. Sondern auch um den Ahnen den Weg zu
leuchten und sie mit Speis und Trank willkommen zu heißen.
Denn auch zu den Ahnen hat man in dieser Zeit leichter
Kontakt.
Ein Überbleibsel des Gedenkens der Ahnen ist der Besuch am
Familiengrab am Morgen bzw. Vormittag von Allerheiligen, also dem 1. November.
Sie geben uns Kraft und erinnern uns daran, woher wir
kommen, wo unsere Stärken und Schwächen liegen und was uns im Blut liegt.
Außerdem passen sie auf uns auf. Auch wenn wir das nicht
immer merken.
Dieses Wissen ist schon lange in uns verankert und in
anderen Teilen der Erde, weiß jeder, dass man die Ahnen ehren soll und sie
dafür ihre schützende Hand über die Familie halten.
All das bedeutet aber nicht, dass man Samhain mit einer
Trauermiene und deprimiert feiern muss.
Ganz im Gegenteil.
Es ist wie ein großes Familientreffen.
Viele stellen zusätzliche Teller und Gläser bereit und geben
von allen Speisen und Getränken etwas darauf, damit die Ahnen und guten Geister
mitfeiern können.
Natürlich gibt es Momente, in denen man ruhig und besonnen
wird. In denen man loslässt, was man loslassen möchte und derer gedenkt, die
man vermisst und für sie eine Kerze anzündet. In denen man ganz bewusst um das
trauert, was nicht mehr ist.
Aber genauso kann man später davon erzählen, welche schönen
Erlebnisse man mit geliebten Verstorbenen hatte, oder sich einfach im Stillen
an die schönen Momente erinnern.
Samhain vereint das ganze Leben an einem Tisch.
Denn der Tod ist Anfang und Ende zugleich.
Deshalb ist seine Energie auch so stark und berührt die
Menschen wie kaum ein anderes der Jahreskreisfeste ganz tief im Herzen.
Egal, ob du nur bestimmte Aspekte oder alle Facetten feiern möchtest: Dieses Fest zu feiern lohnt
sich auf jeden Fall!
Vielleicht willst du lieber für dich alleine und ganz
andächtig feiern. Vielleicht aber auch mit anderen laut mit Tanz, Spiel, Spaß
und Verkleiden.
Je nachdem wonach dir zumute ist, kannst du die
entsprechenden Vorbereitungen treffen, dich nach passenden Veranstaltungen in
deiner Gegend umsehen oder deine Wohnung entsprechend dekorieren.
Ich habe dieses Jahr das Glück, zum ersten Mal eine
öffentliche Samhain-Feier veranstalten zu dürfen.
Aber ganz egal wie ihr feiert: Ich wünsche euch von Herzen
ein wunderschönes und kraftvolles Samhain!
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